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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: 4 K 3883/04
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 163
AO § 233a
EStG a.F. § 10 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 K 3883/04

In dem Rechtsstreit

wegen Körperschaftsteuer 1999, Abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 15. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine abweichende Körperschaftsteuerfestsetzung 1999 nach § 163 Abgabenordnung (AO). Die Klägerin begehrt eine Saldierung der Erstattungszinsen mit Nachzahlungszinsen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das die Errichtung von Büro- und Gewerbeflächen, deren Verwaltung und Vermietung zum Gegenstand hat. Gesellschafter der Klägerin sind die Herren A und B mit je 50 % der Anteile. Allein vertretungsberechtigte Geschäftsführerinnen sind Frau A und Frau B.

Im Rahmen einer für das Jahr 1994 durchgeführten Betriebsprüfung wurde folgender Sachverhalt festgestellt: Die Gesellschafter der Klägerin waren ab 1993 gleichzeitig Gesellschafter der Firma A Unternehmensberatungs GmbH (UGmbH), an der sie je 50 % der Anteile hielten. Die U-GmbH erwarb zum 01.07.1993 100 % der Anteile an der C-GmbH, einer Tochtergesellschaft der Klägerin. Der Kaufpreis der Anteile betrug 14.000.000 DM und beinhaltete die stillen Reserven an dem im Eigentum der C-GmbH befindlichen Grundstücke.

Am 28.07.1993 veräußerte die C-GmbH einen Teil dieser unbebauten Grundstücke zum Preis von 21.000.000 DM. Ihren Jahresgewinn, der dem Erlös aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke entsprach, zum 31.12.1993 in Höhe von 9.144.812 DM schüttete die C-GmbH in voller Höhe an die UGmbH aus. Gleichzeitig nahm die U-GmbH auf die Beteiligung an der CGmbH eine Teilwertabschreibung in Höhe von 8.500.000 DM vor. Mit Verschmelzungsvertrag vom 21.12.1994 zwischen der C-GmbH und der U-GmbH übertrug die U-GmbH mit Wirkung vom 31.07.1994 ihr Vermögen als Ganzes auf die C-GmbH als übernehmende Gesellschaft. Die Gesellschafter der UGmbH erhielten als Gegenleistung alle Geschäftsanteile an der C-GmbH. Auf eine Aufdeckung der stillen Reserven wurde verzichtet. Die übergegangnen Wirtschaftsgüter wurden zum Buchwert übernommen. Mit Vertrag vom 28.12.1994 veräußerten die Gesellschafter A und B die im Wege der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der C-GmbH für 12.000.200 DM an die Klägerin.

Diesen Sachverhalt würdigte das Finanzamt im Rahmen der Betriebsprüfung steuerrechtlich dahingehend, dass im Rahmen der Verschmelzung bezüglich der Anteile an der C-GmbH kein Durchgangserwerb stattgefunden habe. Der CGmbH sei im Zeitpunkt der Verschmelzung negatives Vermögen zugeführt worden. Bei der Klägerin sei eine Einlageverbindlichkeit zu passivieren, bei der C-GmbH eine Einlageforderung in derselben Höhe zu aktivieren. Nach Auswertung des Betriebsprüfungsberichts führte die bei der Klägerin verbuchte Einlageverbindlichkeit zu Erstattungszinsen in Höhe von 404.077 DM und die bei der C-GmbH verbuchte Einlageforderung zu Nachzahlungszinsen in derselben Höhe. Die Erstattungszinsen wurden bei der Klägerin im Veranlagungsjahr 1999 als Einnahme erfasst. Die steuerrechtliche Würdigung dieses Sachverhalts ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Vor Erlass des Körperschaftsteuerbescheides beantragte die Klägerin, die Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO gemäß § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, da den Erstattungszinsen Nachzahlungszinsen bei der C-GmbH entgegenstünden, die auf ein und demselben Ereignis beruhten. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Entscheidung vom 02.02.2004 ab und erließ am 23.08.2004 entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung Steuerbescheide für 1999. Gegen die Ablehnung des Antrags nach § 163 AO und die erlassenen Steuerbescheide wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, den das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 19.10.2004 zurückwies.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Saldierung der Erstattungszinsen mit den Nachzahlungszinsen und eine entsprechende Änderung der angefochtenen Bescheide.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Änderung des § 10 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, wonach Zinsen auf Steuernachforderungen gemäß § 233a AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können, im Einzelfall zu einem sachlich unbilligen Ergebnis führe. Ein solches unbilliges Ergebnis liege regelmäßig dann vor, wenn sowohl Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen gegenüber demselben Steuerpflichtigen auf ein und demselben Ereignis - wie im Streitfall der Betriebsprüfung - beruhten. Die Klägerin bezieht sich insoweit auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 BStBl I 2000, 1508, das seinem Grundgedanken entsprechend auch für den vorliegenden Fall Anwendung finde. Zwar unterscheide sich der vorliegende Fall von den Regelungen in dem BMF-Schreiben insoweit, als die Steuernachforderungen und Steuererstattungen gesellschaftsrechtlich unterschiedliche Steuerpflichtige beträfen, allerdings seien die Fälle vergleichbar, da hinter den Gesellschaften dieselben Personen stünden. Die im Steuerrecht herrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete eine entsprechende steuerrechtliche Beurteilung. Die Klägerin verweist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beim gewerblichen Grundstückshandel, wonach für die Frage der Drei-Objekt-Grenze eine Zusammenrechnung der Objekte auch dann angenommen werden könne, wenn zivilrechtlich unterschiedliche Personen gehandelt hätten. Insoweit werde die äußere Rechtsform zugunsten des wirtschaftlichen Erfolges durchbrochen. Des Weiteren sei auch deshalb eine Billigkeitsmaßnahme geboten, da bei früherem Abschluss der Betriebsprüfung die Nachzahlungszinsen zu einem Zeitpunkt entstanden wären, zu dem noch altes Recht gegolten und die Nachzahlungszinsen demzufolge noch steuermindern hätten geltend gemacht werden können.

Die Klägerin beantragt,

1. eine abweichende Körperschaftsteuerfestsetzung 1999 gemäß § 163 AO durch Saldierung der Erstattungszinsen mit den Nachzahlungszinsen in Höhe von 404.077 DM vorzunehmen und die angefochtenen Bescheide dementsprechend zu ändern.

2. die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die gesetzliche Regelung nach Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) und der Änderung des § 10 Nr. 2 KStG, wonach Zinsen auf Steuernachforderungen gemäß § 233a AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können, Zinsen auf Steuererstattungen gemäß § 233a AO dagegen beim Gläubiger zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder i.V.m. § 20 Abs. 3 EStG zu Einkünften anderer Art führen. Diese Regelung führe im Einzelfall nur dann zu sachlich unbilligen Ergebnissen, wenn sowohl Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen einen Steuerpflichtigen beträfen und auf ein und demselben Ereignis beruhten. Eine solche sachliche Unbilligkeit liege jedoch im Streitfall deshalb nicht vor, da es sich bei der Klägerin und der C-GmbH um unterschiedliche Kapitalgesellschaften handele, wobei unerheblich sei, dass an beiden Gesellschaften dieselben natürlichen Personen beteiligt seien. Die Auffassung der Klägerin, die Gesellschaft aufgrund der Identität der Beteiligungsverhältnisse wie einen Steuerpflichtigen zu sehen, widerspreche gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Grundsätzen. Danach seien Kapitalgesellschaften unabhängig von den dahinter stehenden Gesellschaftern sowohl rechts- als auch steuerrechtsfähig. Soweit sich die Klägerin auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 berufe, greife dieses nicht ein, da es voraussetze, dass die Steuernachforderungen und Steuererstattungen bei ein und demselben Steuerpflichtigen einträten.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten zur Steuernummer vorgelegen, sie waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Gericht unterliegt. Das Gericht prüft nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Davon ausgehend ist der vorliegende Körperschaftssteuerbescheid 1999 und die Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO rechtmäßig. Es liegt weder eine Ermessensüberschreitung noch ein Ermessensfehlgebrauch durch die Finanzbehörde vor. Aufgrund der Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG und der Änderung des § 10 Nr. 2 KStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 können Zinsen auf Steuernachforderungen gem. § 233a AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden. Demgegenüber führen Zinsen auf Steuererstattungen gem. § 233a AO beim Gläubiger zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder i.V.m. § 20 Abs. 3 EStG zu Einkünften anderer Art. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen führt regelmäßig nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit.

Auch im vorliegenden Streitfall hat die Finanzbehörde eine sachliche Unbilligkeit mit zutreffenden Gründen verneint, da die Steuernachforderungen und Steuererstattungen nicht bei ein und demselben Steuerpflichtigen eingetreten sind. Zur weiteren Begründung wird insoweit auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2004 verwiesen (vgl. § 105 Abs. 5 FGO).

Auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil dieses nach seinem Wortlaut ausdrücklich auf das Zusammentreffen von Steuernachforderungen und Steuererstattungsansprüchen bei demselben Steuerpflichtigen abstellt. Da die hier betroffenen Kapitalgesellschaften jeweils selbständige Steuersubjekte sind, fallen die Erstattungs- und Nachzahlungszinsen bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen an, sodass die Voraussetzungen des BMF-Schreibens nicht erfüllt sind. Der Umstand, dass aufgrund der gleichen Beteiligungsverhältnisse an den Kapitalgesellschaften im wirtschaftlichen Ergebnis dieselben natürlichen Personen betroffen sind, erfordert keine entsprechende Beurteilung. Abgesehen von Einzelfällen der Steuerumgehung ist es dem Steuerrecht wesensfremd, Sachverhalte, die unterschiedliche Steuersubjekte betreffen, im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen zu verknüpfen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe, die die Zulassung der Revision erfordern, liegen nicht vor (§ 115 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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